Tag 37 - Housing WG | 26.05.05
Ich glaube ich hatte es schon erwähnt. Meine Rundreise ist beendet und ich lasse jeden Tag einfach auf mich zukommen. Touriaktivitäten stehen nicht mehr auf meinem Plan, statt dessen möchte ich lieber das echte amerikanische Leben sehen und genießen. Dass das Schicksal an meinem Leben mehr als nur Teilhaber ist haben mir etliche Situationen bewiesen und so - da bin ich mir ganz sicher - werden noch unzählige folgen.
Nichts übers Knie, aber einen Frühstückmuffin- brechend wollen checkte ich aus dem Hotel aus und fuhr zum Früh-, Mittags- und Abendkaffee. Ausgecheckt deshalb, weil ich dort nur zwei Nächte gebucht hatte. Beim verlängern stellte ich erschrocken fest, dass es zum einen nur noch für eine Nacht ein Zimmer gab und sie danach ausgebucht waren und zum anderen diese Nacht auch noch unverschämterweise teurer war. Ein Motel 6 war nicht allzu weit weg, so das ich das als nächstes Ziel anfokusierte. Bei Gelegenheit jedenfalls. Erstmal schauen was der liebe Gott sich heute für mich ausgedacht hat.
Name nicht ganz richtig auf meinem Creme Caramel Macciato und einem kleinen aber oberleckerem Espresso Brownie.
Ich saß im Starbucks, genoss mein frisch Erworbenes und tausche mit den Mädels die Bilder vom Vortag aus und stelle fest, dass heute hier ganz schön wenig los ist. Ich spiele wieder ein wenig WoW, um meinem Ziel Level 60 zu erreichen, ein wenig näher zu kommen. Josh, der Junge der es mir ermöglicht hat die Spielefirma mal von innen zu sehen, mailt mir und wir verabreden uns auf einen Kaffee im ... na wo sonst? Im Starbucks. Aber nicht hier in Costa Mesa wo ich bin, sondern in Irvine, wo er wohnt. Das ist ca. 15 Minuten mit dem Auto entfernt. Ich packe also meine Sachen und ziehe um.
Ich bin zwar etwas zu früh da, aber was macht das schon? Hotspot sei dank und so. Josh kommt mit Evan, einem Arbeitskollegen im selben alter (beide Anfang 20). Ich erspare mir bei den Jungs sämtliche Betitelungen-vor-dem-Namen, weil ich sie einfach zu oft gebrauchen werde. Ich spendiere beiden einen Frappuccino, als klitzekleines Dankeschön. Wir setzen uns nach draussen in die Sonne und quatschen. Ich beantworte die typischen Ami-trifft-Deutschenfragen und stelle die typischen Spielefan-trifft-Spielefirmamitarbeiterfragen. Josh sagt, sie wollen nach Hause und ein bisschen was am Computer erledigen und sie hätten heute Abend Pokerrunde. Ob ich nicht mitkommen will. Klar, cool. Fo sho! (Das ist Slang und bedeutet "for sure").
Wir fahren also zu deren Haus, welches in einer wunder, wunderschönen Gegend liegt. Ruhig, sicher, sauber. Neid. Sie hausen dort in einer fünfer WG und alle arbeiten in der selben Firma. Da wären noch Dixon, Jason und James. Wie ich später feststelle haust Jason in der Garage auf einer Couch, wo auch der Pokertisch drinsteht. Und der Fernseher mit XBox und GameCube, sowie der Getränkekühlschrank fürs Bier.
Wenn man zur Tür reinkommt ist zur linken der Computerraum, rechts die Garage und gerade aus die Treppe nach oben sowie das Wohnzimmer. Links vom Wohnzimmer, also hinter dem Computerraum ist die Küche und die Terasse. Jeder hockt vor seinem Rechner (der Raum ist ca 12 qm gross, äh klein) und ich kann dem folgen, indem ich das vorhandene WLAN nutze. Ich werde von allen freundlich begrüsst und es dauert auch nicht lange, bis weitere Gäste kommen.
Mir wird ein Becks angeboten, was ich aber dankend ablehne, weil es mir noch zu früh ist (sieben oder so). Mein Hinweis, dass ich auf amerikanisches Bier stehe und Miller mein Lieblingsbier ist, wird lachend und staunend aber vorallem verständnislos zur Kenntnis genommen. In der eben erwähnten Garage steht ein extra Pokertisch mit Chips. Hui. Sehr professionell. Ich lass mir das Spiel erklären, verzichte aber erstmal, mitzuspielen. Einsatz ist 40$. Damit hätte ich prinzipiell kein Problem, aber zum einen nicht genug Bargeld dabei und zum anderen als total blutiger Anf-nger dann doch etwas Hemmungen soviel Geld rauszuwerfen. Ich gucke also zu und beobachte die Leute. Das mache ich ja quasi sowieso gerne und ich glaube das hilft in diesem Spiel sehr gut. Evan ist als erster seine vierzig Chips los. Im vergleich zu allen anderen verdammt schnell. Er ist total frustriert. Nach einer halben Stunde schmeisst er nochmal 20$ auf den Tisch und - schwupsdiwups - ist auch das los. Alle anderen (weiteren 6 Spieler) sind noch im Spielgeschehen. Weitere 15 Minuten macht er weitere 20$ locker und - wupsdischwups - sind auch diese schnell weg. Er hat nicht eine Runde gewonnen. Man war er frustiert. Und ich umso froher, nicht mitgespielt zu haben. Inzwischen habe ich mir das Zuschauen mit einem Becks geteilt und beschlossen, lieber nicht mitzuspielen. Wir hatten alle eine menge Spaß und es lief nicht Pokerface-, sondern eher Labermässig ab. "Ha, meine zwei Asse kannst Du eh nicht überbieten" und so.
Nach dem Spiel teilte Josh mir mit, dass sie noch in eine Bar "um die Ecke" gehen würden, ob ich nicht mitkommen will. Klar, mache ich doch gerne. Da wir zu viele für ein Wagen sind, fahre ich und nehme Evan und ... Name vergessen mit. Ich sage den Jungs, dass ich heute so gut wie nix gegessen hab und unbedingt was brauche. Sonst falle ich nach dem ersten Bier um. Wir machen also einen kleinen Schwenk und ich Drive-In in einen Carlson Jr., einen Burgerladen, für den Paris Hilton eine anschauliche Werbung im Fernsehen macht. Ich bestelle mir einen Six Dollar Burger, der erstaunlicherweise nur 4.28 $ kostet. Ich futtere ihn auf dem Parkplatz während wir uns über Autos und die Deutsche Autobahn unterhalten. Ich merke wie immer an, dass ich es komisch finde, dass hier in Amiland die fetten Autos rumprotzen, obwohl sie sowieso nicht ausgefahren werden können. Ich erkläre, dass das Fahren bei uns schwerer ist (meiner Meinung nach), weil man nur links überholen darf und generell viel mehr Konzentration braucht.
Der Burger ist alle und wir fahren zu der Firma wo sie alle arbeiten und gabeln zwei weitere Leute auf, die im Auto auf uns warten. "Ihr seit 25 Minuten zu spät!" begrüssen sie uns. Upsi. Wusst ich nicht. Wir brausen los und landen in Costa Mesa, ganz in der Nähe wo ich noch lezte Nacht genächtigt habe. Den Namen der Bar habe ich schon wieder vergessen, bzw. nie richtig verstanden. Eher so ein wenig abgefuckt, sagen wir mal ungepflegt. Aber trotzdem ein lustiger Aufenthaltsort. Es gibt dort 150 verschiedene Biersorten aus aller Welt. Der Boden ist übersäht mit Sägespähen und vor allem Erdnusschalen. Es wird überall geraucht, was mich sehr verwundert, denn das ist ja hier in Cali gar nicht erlaubt. Später stelle ich fest, dass man sich eigentlich draussen befindet, es ist nur überdacht. Aber eben nicht überall und ich glaube das ist der Trick. Es gibt zwei Billard- und zwei Tischfussballtische. Evan, der auf der Fahrt hierher schon einen grossen Becher Jägermeister geleert hat, holt einen Pitcher Newcaslte und zwei Gläser. Eins für ihn, eins für mich. Sehr nett, danke. Während ich mein erstes Bier noch nicht mal zur Hälte leer habe, schenkt er sich sein zweites ein.
Die Stimmung ist gut, die Musik so RMB, leicht Hiphopig, aber alles in allem Gemischt. Die Mädels, die alle auf mich den Eindruck machen, überhaupt keinen Alkohol zu vertragen, verhalten sich genauso, wie es mir mein Eindruck vermittelt. Leicht unkontrolliert, sehr ausgelassen tanzen sie quer durch die Gegend. Sehr darauf aus, sich selbst darzustellen, ganz nach dem Motto: Ich habe hier am meisten Spaß. Womit ich nicht sagen will, dass sie keinen Spaß hatten. Evan nuckelt fleissig am Pitcher, während ich immer noch am meinem ersten Bier nippe. Er holt einen zweiten Pott. Wir wollten uns gerade am Tischfußball vergnügen, als Evan von einer Angeheiterten zur Seite geschupst wird. Sie möchte spielen. Nü, das kann ja heiter werden. Wurde es auch. Mitgezählt hat eh keiner, just for fun, you know. Noch eine Runde gegen James und weiss ich gar nicht mehr. Wir wurden als Verlierer deklariert und räumten das Feld. Egal. Die eigentlich mehr als nur Angeheiterte und ihre Freundin rächen sich auf ihre Weise an unseren Gegnern, die nun gegen zwei andere Jungs, welche das Spiel sehr ernst nehmen, spielen. Sie stellen sich hinter sie, nehmen die Hand der anderen und greifen damit an die Hintern der Jungs, begleitet von lautem, erheitertem Gekreische. Ich sehe niemanden, der nicht mindestens ein Grinsen im Gesicht hat.
Inzwischen zeigt der Alkohol bei Evan deutlich Wirkung. Sichtbar für alle anderen durch Schwanken und wiederholtem Zeigen mit Zeige- und Mittelfinger auf seine Augen. Was auch immer das bedeutet. Eigentlich deute ich das als "Schau mir in die Augen", aber hier konnte ich den Zusammenhang nicht erkennen. Aber er wiederholte diese Geste ca. 20 mal. Nun war er dran den Kicker zu bedienen. Die Bar schliesst um 2h und wir waren nicht mehr allzu weit entfernt. Irgend jemand fragte, wem der übrig gebliebene Pitcher gehörte. Evan bracht enoch ein "hier" hervor und bekam ihn kurz darauf auch schon mit dem Hinweis "austrinken" in die Hand gedrückt. Er setzte an, nahm einen Schluck, setzte wieder ab. Das noch zweimal, dann war sense. James übernahm und exte das Ding weg. Alle Achtung, war locker noch ein Liter drin. Ich hatte alles in allem nur zwei Bier getrunken, musste ja schliesslich noch fahren. Die Bar machte dicht und wir uns auf den Weg zum Parkplatz. James bot mir an, dass ich bei denen Pennen kann. Dankend, aber mit dem Hinweis, dass ich keine Umstände bereiten will, nahm ich an. Ne, wäre kein Prolem, bei denen pennen dauernd irgend welche Leute, dont worry. Cool.
Wir fahren also in Kolonne zurück, wobei ich in Rücksicht auf Evan besonders schonend fahre. Er schafft den Weg nicht mehr ganz ohne Hilfe zum Haus und die Treppe zu seinem Zimmer hinauf schon gar nicht mehr. Der arme Kerl, total done. Der Rest schnappt sich ein Bier aus dem Kühlschrank und hockt sich wieder vor die Rechner. Ein Mädel quatscht mich per Instant Messanger an. Bevor ich von Deutschland aus los bin hab ich mich auf einer Datingseite eingetragen und gefragt, ob mir irgend eine nette Dame die Stadt näher bringen kann. Ich ahnte da noch nicht, wieviele Leute, bwz. wie leicht ich welche kennenlernen würde, die diese Aufgabe übernehmen. Ich hatte gar nicht mehr an diese Anzeige gedacht, bis mich eben diese Dame anquatschte. Wo ich denn sei usw. Wir stellten fest, dass wir recht nahe beieinander waren (10 Minuten oder so) und verabredeten uns für den nächsten Tag um 11h in einem Starbucks. Da wusste ich noch nicht, dass mein Abend noch nicht zu Ende war, sonst hätte ich sicher nicht so einer Uhrzeit zugestimmt. Ich wusste nicht wie sie aussah, was mir aber auch total wurst war. Ich hatte ja nix weiter im Sinn, als weitere "locals" zu treffen und einen schönen Tag zu verleben.
Aha. Noch eine Runde Poker ist angesagt. Diesmal nur für fünf Dollar. Der Gewinner bekommt 20$, der 2. seinen Einsatz wieder zurück. Ok. Bin dabei. Für mein erstes Spiel schlage ich mich wacker und lerne fleissig dazu. Ich fliege immerhin nicht als ertes raus, das ist doch schon mal was. Ich teile Josh mit, dass ich am nächsten Morgen so eine art Date hätte und dementsprechend schon früh weg bin. Ich aber gerne wieder käme und wir in Kontakt bleiben. So gegen fünf Uhr ist dann Schicht im Schacht, ich breite meinen Schlafsack auf der Couch aus und knipse die Augen zu.